Das Lastenheft und die Praxistauglichkeit…
- Luca Föhn
- 28. Apr. 2020
- 2 Min. Lesezeit

"Ich möchte Ihnen den Wahren Nutzen eines Lastenheft aufzeigen"
Eigentlich liegt es sehr nahe. Ein Lastenheft mit den Anforderungen zusammenzustellen - die Lieferanten dieses bewerten lassen - daraus eine Nutzwertanalyse erstellen und schon ist der geeignete Anbieter ermittelt.
Ich möchte dieses Vorgehen mal an einem einfachen Beispiel genauer veranschaulichen.
Angenommen Sie machen ein Lastenheft für Ihren nächsten Autokauf.
Sie listen die üblichen Merkmale auf wie Sie es bei einem Softwarelastenheft ebenfalls machen würden.
Verbrauch
Gewicht
Reichweite
Anzahl Plätze
Anzahl Gänge
Sitzheizung
Navi
…
Da Sie vielleicht noch etwas unsicher sind und sich nicht so gut mit Autos auskennen, fragen Sie noch weitere im Unternehmen was Sie sich denn wünschen würden. So kommen sicherheitshalber noch mal 50% an Kriterien hinzu.
Hubraum
Kofferraumgrösse
Parkhilfe
Reserverad
Bluetooth
...
Während des Erstellen merken Sie, dass die Anforderungen nach Ihren Vorstellungen gewichtet sein müssten. Deshalb sind nun auch 90% K.O.-Kriterien, da Sie absolut notwendig sind ;-)
Nun der trügerische Vorteil - Sie sehen direkt welches Modell in Ihr Schema passt.
Was Sie jedoch nicht wissen ist ob der Wagen klottert wenn man ihn fährt. Ob zum Reserverad ein Wagenheber dabei ist. Ob sich der Ganghebel auch schön leicht bedient - theoretisch wissen Sie nicht mal ob es einen Rückwärtsgang hat. Sie wissen nicht ob Sie zwei Stunden die Bedienungsanleitung lesen müssen um die Uhr umzustellen. Sie wissen nicht ob die Karte im Navi bereits fünf Jahre alt ist oder ob sie stetig aktualisiert wird. Ob Sie die Kontakte via Bluetooth synchronisieren können. Ob Sie sich mit dem Komfort im Wagen wohl fühlen oder ob der Wagen gar alle zwei Monate wegen irgendeinem Problem in die Garage muss?
All das wissen Sie nicht... Weil sich mit einem Lastenheft keine Zusammenhänge darstellen lassen und Sie keine Komplexität abbilden können. Ihre Unternehmensprozesse sind allerdings stark vernetzt und abhängig. Drücken Sie nicht etwas in eine Liste was nicht in einer Liste dargestellt werden kann.
Nun bei einem Auto ist das Vorgehen nun simpel - Sie machen eine Probefahrt.
Bei der Software ist das nicht so einfach möglich. Der Aufwand verschiedene Software probemässig zu implementieren ist schlichtweg zu gross.
Das heisst, Sie müssen dem Lieferanten Ihre Prozesse bereits im Detail unterbreiten können, damit beide Parteien (Unternehmen und Anbieter) fähig sind bereits in einer Evaluationsphase detailliert die Zusammenhänge sowie die Komplexität Ihrer Prozesse zu besprechen.
Ein mögliches Vorgehen dazu finden Sie hier.
Ganz kurz zurück zum obigen "Lastenheft". Wenn ein Softwareanbieter nun ein solches Lastenheft zugeschickt bekommt und ausfüllen soll, so sieht er zuerst die 90% K.O.-Kriterien. Somit weiss er, dass er bei all diesen Punkten das Häkchen auf "Erfüllt" setzen muss, damit er bei der Evaluation im Rennen bleiben kann. Ein Glück, dass die Kriterien schwammig beschrieben sind und somit genügend Spielraum lassen, dass er dies guten Gewissens machen kann. Ich glaube an dieser Stelle erübrigt es sich auch auf die Nutzwertanalyse des Lastenheftes weiter einzugehen.
Ich empfehle Ihnen vor der eigentlichen Evaluation Ihre Prozesse aufzuarbeiten. Damit sie fähig sind auf einem detaillierten Level mit Ihren Anbietern zu kommunizieren.
Insbesondere wenn Sie einen Praktikanten oder eine Studentenarbeit darauf ansetzen. Warten Sie mit der eigentlichen Evaluation solange bis Ihre Prozessaufarbeitung detailliert genug ist um die Zusammenhänge und die Komplexität Ihrer Unternehmensprozesse aufzuzeigen.



Kommentare